Auf der Linde – auf zum Tanze
Linden spielten im Alltag der Menschen früher eine sehr große Rolle. Oft wurden sie in der Mitte eines Dorfes aufgestellt und galt als geselliger Treffpunkt. Eine Linde markierte und markiert bis heute in vielen Ortschaften heute noch den Mittelpunkt der Siedlung. Doch welche Rolle spielte die Linde in Königsberg
Für die Menschheit hatte eine Linde im Laufe der Geschichte eine besondere Bedeutung und war neben der berühmten Eiche hoch angesehen. Das schlägt sich auch in der Kultur nieder. So ist ‘Unter den Linden’ eines der bekanntesten deutschen Volkslieder, viele Liebesgeschichten spielen sich unter den Linden ab. Zusätzlich erinnert die Blattform der Linde an kleine Herzchen. Außerdem wird die Linde im germanischen Götterpantheon der schönen Liebesgöttin Freya zugeschrieben. Bekannt ist auch die Dorflinde, um die herum sich alle Bewohner eines Dorfes treffen, um zu tanzen und ausgelassen zu feiern.1
In Königsberg gab es einen besonderen Brauch, der eng mit einer Linde verknüpft war.
In Königsberg: Tanzen auf der Linde
Am Exerzierplatz in der Nähe des Schloßteichs (unweit vom späteren Cafe Schwermer; s. hierzu auch den Artikel über das Königsberger Marzipan in diesem Blog) soll eine große Linde gestanden haben, die man als Tanzlinde bezeichnete. Tanzlinde allerdings nicht, weil man um die Linde herum tanzte, sondern auf ihr. Diese extrem hochgewachsene Linde soll mit vier Galerien, also mit vier hölzernen Plattformen ausgestattet gewesen sein. Über eine Treppe konnte man jene Plattformen erreichen. Ob es sich bei dieser Königsberger Linde tatsächlich um eine Tanzlinde gehandelt hat, ist nicht gesichert, wird allerdings stark angenommen. Wahrscheinlich funktionierten die Königsberger das Tanzgerüst schon recht früh zu einer Aussichtsplattform um, von der aus man einen guten Blick über den Schloßteich gehabt haben muß, sowie einen herrlichen Ausblick über die Dächer der Stadt.
Handelte es sich tatsächlich um eine Tanzlinde, so geben uns andere Quellen Aufschluß über den Hergang eines Tanzes auf den Linden. In diesem Text beziehen wir uns auf Beschreibungen aus dem Oberfränkischen Dorf Limmersfeld.
Geputzte Jungen und Mädchen gehen durch das Dorf und rufen zum Tanze, das Dorf versammelt sich zu Füßen der Linde und Musik spielt auf. Die Jungen und Mädchen beginnen zu tanzen, während die Musiker sich nun dazu anschicken die Stufen hinauf zu gehen – die Tänzer folgen. Hierbei handelte es sich um ein verbrieftes Recht auf der Linde zu tanzen, allerdings war hier die Bedingung dran geknüpft, dass der Tanz auf der Linde nicht ein Jahr auszfallen habe, weshalb man es im August – wenn die Tänze begannen – durchaus auch beobachten konnte, wie die Menge im strömenden Regen auf der Linde tanzte.2 Man kann sich gut vorstellen, wie die Königsberger Bürger unter und auf der Linde tanzten und dabei ausgelassen Bier aus dem Löbenicht, dem bekanntesten Bierbrauerstadtviertel Königsbergs, tranken.
Welche Ausmaße die Linde in Königsberg gehabt haben muss bevor sie gefällt wurde verdeutlicht die nun folgende Anekdote: „[Das] oberste [Stockwerk der Linde] wenngleich [das] Kleinste, war dennoch zureichend, daß im Jahre 1697 der Kanzler von Kreutz den König Friedrich I mit seinem Gefolge darauf bewirten konnte“3 Inwiefern unser Chronist, auf den wir uns beziehen hier vielleicht selber ein wenig dazugedichtet hat, vielleicht auch durch Zutun des guten Löbenichtner Trunks, wissen wir an dieser Stelle nicht.
Der Brauch auf einer Linde zu tanzen findet sich allerdings nicht nur in Königsberg. Er wird seit dem Mittelalter, wie auf den Bildern zu sehen, auch in anderen Städten gepflegt.
Bilderverweise:
Abb. 1: Lutz Maertens (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tanzlinde.jpg)
Lizenz: Wiki Commons
Abb. 2: Rainer Lippert (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tanzlinde_Sachsenbrunn,_1.jpg)
Lizenz: Wiki Commons
1 o.A. Was sind Tanzlinden?. auf der Website des Deutschen Tanzlindenmuseums Limmersdorf.[https://tanzlindenmuseum.de/tanzlinde/]
2Vgl. Gaerte, W. () Die Königsberger Tanzlinde. in Volksglaube und Brauchtum Ostpreußens, Ort:Verlag, S. 7-10
3Hagen, K.G. (1818) Preußens Pflanzenwelt I, S.407 in Gaerte, W. () Die Königsberger Tanzlinde. in Volksglaube und Brauchtum Ostpreußens, Ort:Verlag, S. 7-10