Königsberg als Hafen und Hansestadt
Die Bedeutung Danzigs als Handels- und Hansestadt konnte Königsberg nie einholen. Doch die Lage Königsbergs war durchaus exponiert, um Seehandel zu betreiben. Verbunden war Königsberg über das frische Haff mit Braunsberg und Elbing. Bis in das 16 Jhd. stellte Bernstein das Handelsmonopol des Ordens dar.
Man stelle sich das geschäftige Treiben im Hafen Königsbergs vor!
Kräne be- oder entladen Schiffe, Speicherarbeiter schaffen die Säcke mit der Ladung auf Karren zu den Speichervierteln. Viele ächzen unter der schweren Last der Güter. Eingeführt werden aus Frankreich und Flandern edle Tuche, Steine, Metalle, Salz und Gewürze. Das Salz machte die Hanse erst zu einer der mächtigsten Handelsorganisationen; durch den Salzabbau z.B. in Lüneburg saßen die Hanseleute an der Quelle des wichtigsten Konservierungsstoffes für Heringe. Heringe in Salz eingelegt waren länger haltbar und konnten bis ins Binnenland verkauft werden, wo das begehrte Nahrungsmittel begeisterte Käufer fand.
Und so überraschte es auch nicht, dass Königsberg auch eingelegten Fisch verschiffte, sowie Getreide, Hanf, Flachs und Holz. Alles Dinge die aus dem Hinterland Königsbergs geholt und gewonnen werden konnten. Ostpreußen hatte genügend weite Felder die reiche Ernten einbrachten und genügend Wälder aus denen man Holz holen konnte. Fürderhin wurde über Königsberg auch Teer, Asche, Wachs und Talg, sowie Leder und Pelze ausgeführt.
Stellen wir uns den Hafen weiter vor; an der Lastadie (dem Speicherviertel) und dem Hundegatt (ebenfalls ein Speicherviertel an der Pregelbeuge) herrscht geschäftiges Treiben. Vorarbeiter brüllen Kommandos, während mittels Seilwinden die schwere Last aus dem Speicher heraus, oder hinausgehievt wird.
Im Gewirr der engen Gassen stehen sich die Arbeiter zum Teil gegenseitig im Weg, während sie beobachten, dass die wertvolle Ladung sicher im Speicherhaus landet. Kräne ziehen die schwere Last bis in die oberen Lagerböden der Speicher. Berühmt war das Hundegatt; das Herzstück des Hafens lag dort wo heute das Hotel „Holiday Inn“ steht und in seiner äußeren Form daran erinnert, dass hier einmal das Speicherviertel war. Es verbrannte in den Bombennächten 1944.
Schattig und gedrungen war die Atmopshäre der Speicherviertel, überall muß es nach den Gewürzen und Gütern die Schiffe aus aller Herren Länder brachten, gerochen haben. Überall mußte man fremde Zungen vernommen haben; Königsberg war eine weltoffene Stadt, in der Menschen aus aller Herren Länder landeten.
Im Jahr 1466 kam es zum ersten Thorner Frieden, der Danzig und Elbing als Konkurrenz vorübergehnend ausschaltete und die Bedeutung des Königsberger Hafens erhöhte. Als im Jahr 1510 eine Sturmflut eine Schneise in das Pillauer Tief riß, waren die Voraussetzungen dafür geschaffen eine gemeinsame Hafenanlage zu errichten; in den folgenden Jahren wuchsen Königsberg und Pillau zu einem Hafensystem zusammen. Jetzt konnten auch größere Schiffe in den Hafen Königsberg einlaufen. Von 1681 bis 1683 wurde die Fahrrinne nochmal um 4 Meter vertieft und ein Treideldamm eingerichtet (ein Damm der parallel zur Wasserstraße verlief und von wo aus Ochsen oder Pferde das Schiff durch den Kanal zogen.)
Konkurrenz machten sich Danzig und Königsberg in der Aus,- und Einfuhr von Korn und Salz; 1772 wurde Salz zu einem preußischen Staatsmonopol erklärt und 1783 hatte Königsberg eine Flotte von 91 Schiffen. Königsberg galt gemeinhin als Salzkammer Preußens und der Pillauer Hafen erfuhr durch oben beschriebene Aufwertungen einen Aufstieg zum brandenburgischen Kriegshafen; fortan wurde dort die brandenburgische Flotte stationiert. Pillau sollte in den folgenden Kriegen insbesondere im 20 Jhd. noch eine weitere Rolle spielen; einmal als Stützpunkt für die Marine und einmal als letzter Rettungshafen, bevor Ostpreußen von der Sowjetunion eingenommen wurde. Von hier gingen letzte Schiffe ins Reich und retteten einen Teil der Zivilbevölkerung.
Der Hafen Königsberg erlebte ein der zweiten Hälfte des 19 Jhd. einen wahren Aufschwung; Petroleum und Tee machten das Hauptgeschäft aus, sowie der Steinkohle-Import. Zeichen dieses neuen Asufschwungs war der Bau der neuen Börse 1875. Diese überlebte Krieg und die Schlacht um Königsberg; im August 2019 bekam sie sogar ihre Turmuhr zurück. Heute beherbergt sie ein Museum für bildende Künste.
Im Jahr 1901 war die Wasserstraße zwischen Pillau und Königsberg 42 km lang, vor Ausbruch des ersten Weltkrieges war der Getreideexport in Königsberg besonders stark, auch wurde Königsberg zu einem Hauptumschlagplatz für Linsen, sowie ein Transithandelsplatz für Holz. Zeitweise war Königsberg sogar Europas zweitgrößter Handelsplatz für Heringe; auf Platz eins lag Stettin.
Noch waren die Hafen und Speicherarbeiter wohl beschäftigt mit dem Verladen der Waren oder dem Einräumen von Speichern.
Doch verdunkelten sich die Straßen der eindrucksvollen Speicherstadt, als während des ersten Weltkrieges begonnen wurde den Hafen weitab vom historischen Kern Königsbergs ein kleines Stück Pregelabwärts modernisiert auszubauen und neue große Getreidesilos dann nach dem Krieg die alten Speicher überflüßig und schließlich die letzten Jahre ihres Lebens bis 1944 zu einem beliebten Touristenziel machten.
Keine Hafenarbeiter verbringen mehr ihre Stunden damit schwere Säcke und Fäßer zu entladen, die Technisierung schritt voran und machte einen großen Teil der Arbeiter überflüßig.
Schließlich verlor auch der Hafen in der Innenstadt seine Funktion, als am 13. Juni 1924 die modernen neuen Hafenbecken eröffnet wurden. Im Königsberger Hafen stand auch das größte Getreidesilo Europas, natürlich, bis größere gebaut wurden. Heute steht jenes Lagerhaus noch immer im Hafen.
Königsberg hätte das Potential gehabt zu einem bedeutenden Welthafen zu werden und eine Bedeutung zu erlangen wie Hamburg oder Rotterdam, doch der zweite Weltkrieg beendete die Entwicklung dieser einstmals florierenden Stadt abrupt.
Zuerst zerbombten die britischen Verbände das malerische Speicherviertel und weite Teile der Innenstadt, dann erklärte Erich Koch Königsberg zur Festung. Trotz eines bereits verlorenen Krieges war der Befehl die Stadt zu halten, auch wenn jedem klar gewesen sein mußte, dass die Stadt nicht gehalten werden konnte. Stalin hatte sich Königsberg bereits als Kriegsbeute zusichern lassen, seine Argumentation war die, dass der Hafen von Königsberg 365 Tage im Jahr eisfrei sei.
Schließlich marschierte die rote Armee in Königsberg ein.
Königsberg wurde Kaliningrad und die Sowjetunion stationierte ihre Flotte hier; über 50 Jahre war Kaliningrad eine geschlossene und hochmilitarisierte Zone, aus der so gut wie keine Information herausdrang.
Der Hafen wurde nun militärisch genutzt. Keine Vorarbeiter, keine Hafenarbeiter, keine Reeder mehr, keine Handelsleute…
Heute entwickeln sich im Hafen langsam wieder Strukturen wie ehedem; das Getreidesilo blieb als Zeuge aus deutscher Zeit erhalten und dort wo einst der Kran am Hundegatt stand, entsteht heute der imposante Kugelbau des Meeresmuseums. Heute dominieren große Kräne (die natürlichen Nachfolger der Speicherarbeiter) das Bild, wie in beinahe jedem Hafen der Welt.
Es gibt vier Hafenstandorte; einer ist ein privater Hafen der Container, Schüttgut und Stückgut verlädt.
Der Zweite ist ein staatlicher Fischereihafen, außerdem wird in einem dritten Hafen ebenfalls Schüttgut, sowie Kohle umgeschlagen. Der vierte dieser Häfen ist für die Verladung von Erdöl und Soja zuständig.
Kaliningrad stellt heute einen wichtigen Handelsknotenpunkt dar für den Handel mit Weißrussland.
Das romantische Bild des Speicherviertels ist dahin, auch die lieblichen Düfte von Kaffee und Tabak und auch das aufgeregte Treiben in den Hafengassen ist verklungen. Stattdessen dröhnen ähnliche Geräusche, wie in Hamburg durch den Hafen; Piepsen, dröhnender Stahl von den Kränen und das Geräusch von Funkgeräten. Auch der Königsberger Hafen mußte mit der Zeit gehen…
Doch das malerische Speicherviertel brannte 1944 vollends ab, von ihm blieb nichts mehr bestehen.
So bleiben nur die Bilder des alten Königsbergs und die Vorstellungskraft, was für eine Geräuschkulisse die Luft erfüllt haben mag, angereichert durch die betörenden Düfte der Handelsware und dem geschäftigen Treiben der Speicherarbeiter. Aber vor allem, wie Kant es formulierte, was diese Stadt ausmachte um als schicklicher Ort zur Erweiterung seiner Weltkenntnis zu werden; die Schiffe mit Flaggen aus aller Herren Länder und die Matrosen und Seeleute die hier vor Anker gingen und den wissbegierigen und weltoffenen Königsbergern vielleicht auch den einen oder anderen dollen Seemannsgarn erzählten.
Der Text beruht auf:
Hubatsch, W. (1956). Königsberg als Seestadt. in. Wege und Wirkung ostpreußischer Geschichte (). Leer:Verlag Gerhard Rautenberg
Bildnachweise
Abb 1:
Bildquelle (Angaben von Wikipedia)
Description | Lastadienstraße in Königsberg |
Date | circa 1908 |
Source | http://www.bildarchiv-ostpreussen.de/index.html |
Author | Herausgeber: Landsmannschaft Ostpreußen e.V. Parkallee 84/86 20144 Hamburg HRA VR4551 Ust-ID-Nr.: DE118718969 Bundesgeschäftsführer: Dr. Sebastian Husen |
Permission (Reusing this file) | freies Archiv, Dr Husen, alte Postkarte |
Abb. 2:
Bildquelle (Angaben von Wikipedia)
Description | Deutsch: Neue Hafenbecken am Unterlauf des Pregels in Königsberg |
Date | circa 1926 |
Source | Gerhard von Glinski, Peter Wörster: Königsberg. Die ostpreußische Hauptstadt in Geschichte und Gegenwart. Westkreuz-Verlag, Berlin Bonn 1992, ISBN 3-922131-68-9, S. 87. |
Author | Unknown |
Abb. 3:
Urheber: Redaktion ‘Östliches Preuzen’